Land & Raum 2 1997

Tourismusinitiativen im ländlichen Raum

„Klasse statt Masse – Tourismus am Wendepunkt wohin?“

Die Daten des heimischen Fremdenverkehrs sind, trotz nun schon regelmäßiger Hiobsbotschaften in den Medien, nach wie vor beeindruckend: Mit 112 Mio. Nächtigungen werden rund 7% der Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet. 1,1 Mio. Fremdenbetten, 3.400 Seilbahnanlagen und 25.000 ha Skipisten zeugen von der enormen Kapazität, die ausgelastet werden will. Weite Regionen unseres Landes, v.a. in den westlichen Bundesländern, sind nahezu flächendeckend von der touristischen Nutzung geprägt. Für Jahrzehnte galt die Kombination von alpiner Berg- und Seenlandschaft und baulichen Kulturjuwelen als unschlagbares Erfolgsgeheimnis im internationalen Tourismusgeschäft. Die hervorragende Ausbildung unseres Personals ist nicht nur der Prosperität des Fremdenverkehrs im eigenen Land zugute gekommen, sondern wurde zum Exportartikel. Seit der globale Wettbewerb auch den Tourismus erfaßt hat, werden traditionelle Urlaubsformen zunehmend durch teils billigere, teils erlebnisträchtigere Angebote in anderen Weltgegenden konkurrenziert. Der Druck auf die heimischen Tourismusvermarkter steigt, im Wettkampf um Erlebnis, Animation und Abenteuer zu punkten und dafür weitere Stücke unserer Landschaft dementsprechend aufzuschließen und auszustatten.

Die Krisenzeichen sind mannigfaltig. Ökonomen machen darauf aufmerksam, daß auch touristische Angebote und Konzepte einem Produktzyklus – also einer begrenzten Lebensdauer am Markt – unterliegen; so mancher augenscheinliche Verfall ehedem mondäner Sommererholungsgebiete sei dadurch zu erklären. Raumordner warnen schon lange und zuweilen unverstanden vor dem Zerfall einer traditionell genutzten Kulturlandschaft und vor dem Eindringen in die letzten Naturreservate unserer Alpen. Regionalentwickler propagieren „sanfte“ Tourismusprojekte als wirtschaftlichen Hoffnungsschimmer für vornehmlich periphere Regionen. Die Tourismuswirtschaft fühlt sich als „cash cow“ für die finanziellen Begierden der öffentlichen Hand. Die Entscheidungsträger in den Gebietskörperschaften geraten als Infrastrukturhersteller und Förderer immer stärker in den Zwiespalt zwischen vermuteten oder nachweislichen (Umweg-) Rentabilitäten und befürchteten oder belegten Umwelt-Beanspruchungen. Nicht zuletzt die Bemühungen gleich dreier Bundesländer um eine Olympia-Kandidatur manifestieren die Unsicherheit über die Zukunft unseres Tourismus als Säule unserer Volkswirtschaft, aber vor allem den Willen, das Steuer wieder in die Hand zu nehmen.

Diese Gedankensplitter können nur aufzeigen, wie vielschichtig und widersprüchlich, insbesondere aber existentiell die Diskussion um die weitere Entwicklung unseres Fremdenverkehrs mit seinen wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen, kulturellen und ökologischen Auswirkungen ist. Es war daher an der Zeit, diesem Dauerbrenner eine Nummer unserer Zeitschrift zu widmen und ein breites Spektrum an Autoren einzuladen, Grundsätzliches über Positionierung und Auswirkungen zum einen und Originelles über aktuelle Projekte zum anderen darzulegen.

(Editorial von Dipl.-Ing. Dr. Heinz Dörr)

Inhaltsverzeichnis:
Allgemeine Tourismusentwicklung
Diether Bernt

Integrativer Tourismus – Herausforderung für alle Akteurinnen und Akteure
Christian Baumgartner

Die Kooperation Landwirtschaft & Tourismus („L&T“) – Eine Gegenüberstellung
Franz Greif

Landtourismus – Agritourismus – Urlaub am Bauernhof
Werner Pevetz

Alpine Raumordnung und Tourismus
Peter Haßlacher

Zweitwohnsitze und Tourismus
Eva Kristina Mayer

Die strategische Ausrichtung des Fremdenverkehrs im Alpenraum am Beispiel Südtirol
Harald Pechlaner

„Sanfte Mobilität“ in Werfenweng
Karl Reiner

Pferderegionen in Niederösterreich – Eine Innovation aus der Praxis
Helma Hamader

Fahrradtourismus als neue Reiseform
Karin Siebenhandl

Mitteilungen

Umfang: 44 Seiten, A-4-Format

Land & Raum 1 1997

Neue Wege in der Landwirtschaft

„Von Strukturwandel und Neuanfang“

„Die Zukunft hat längst begonnen, wir haben es nur nicht bemerkt.“ Mit diesem Zitat eröffnet o. Univ.-Prof. DDr. J. Boxberger, Vorsitzender des Fachsenates Landwirtschaft der Universität für Bodenkultur und Leiter des Institutes für Land- Umwelt- und Energietechnik seinen Beitrag zum Thema „Landwirtschaft im Jahr 2017“ für die Festschrift „50-Jahre ÖKL“.

Die Landwirtschaft befindet sich zweifellos in einer Umbruchsphase. Denn Globalisierungstendenzen wirken sich dort besonders drastisch aus, wo jahrhundertelang für einen kleinen, überschaubaren Markt produziert wurde. Gerade im Lebensmittelbereich war ja das Streben nach einer nationalen Eigenversorgung bis vor kurzem erklärtes Ziel der Agrarpolitik. Interessant erscheint, daß diese Eigenversorgung in Österreich erst Mitte der 70-er Jahre erreicht werden konnte und daß sich das Problem agrarischer Überschüsse erst ab diesem Zeitpunkt stellte. Die durch WTO- und EU-Beitritt besiegelte Liberalisierung der Märkte führte in den letzten Jahren zu gänzlich geänderten Rahmenbedingungen und verschärften Konkurrenzsituationen in der österreichischen Landwirtschaft.

Wie Wilhelm H. Herzog in seinem Artikel zum Thema „Bildungsarbeit im ländlichen Raum“ anführt, steht der „Verunsicherung und Zukunftsangst“, die sich aufgrund der „negativen Einkommenssituation und zunehmend sozialer Defizite“ ergeben, die „Suche nach Werten, Orientierung und neuen Strukturen“ gegenüber. Die Wichtigkeit der Bildungsarbeit wird in diesem Zusammenhang besonders herausgestrichen.

Auch die anderen Beiträgen zeigen, daß der Druck, der vielerorts auf den Betrieben lastet, nicht nur zur Resignation und Selbstaufgabe führen muß, sondern ganz im Gegenteil vielfach bisher schlummernde Kräfte mobilisiert.

So zeigt sich deutlich eine verstärkte Bereitschaft zur regionalen und überbetrieblichen Zusammenarbeit. Aus Einzelkämpfern werden Gemeinschaften, aus ehemaligen Konkurrenten Vermarktungskooperationen. „Die positive soziale Komponente drückt sich in einem neuen Zusammengehörigkeitsgefühl, stärkerem Selbstwertgefühl und positivem Denken aus“. Dieses von Josef Bliem in seinem Beitrag über die Direktvermarktungsgemeinschaft „Thalgauer Bauernkramer“ Gesagte, trifft nicht nur auf diese zu. Landauf, landab entstehen derzeit neue „Landwirtschaftsmodelle“, überall wird nach neuen Wegen zum Überleben gesucht. Dabei fällt auf, daß es nicht immer nur die Landwirte selbst sind, die ihre Betriebe sichern möchten. Wie das Fallbeispiel der „Hoflieferantengemeinschaft Wilhelmsburg“ zeigt, gibt es viele Interessensgruppen, denen die Erhaltung der regionalen Landwirtschaft ein Anliegen ist. Denn es gibt viele Bereiche, die an den Fortbestand der Landwirtschaft einer Region geknüpft sind.

Eine ganz andere Schiene beschreibt Michael Groier in seinem Artikel über die Aussteigerlandwirtschaften im Waldviertel. Er zeigt, daß die vielen unterschiedlichen Betätigungsfelder der Aussteiger/innen, die von Kleintierzucht bis Textilkunst reichen „nicht nur zu einer Belebung der traditionellen Landwirtschaft“ beitragen, sondern daß die Aktivitäten und Initiativen der Aussteiger/innen „als eine Art gesellschaftlicher Sauerteig in ländlichen Regionen wirken.“

Auf der Suche nach neuen Erwerbskombinationen entstand die Idee der Umnutzung leerstehender landwirtschaftlicher Gebäude. So zeigen die Autoren Günther Schickhofer und Gerhard Jüngling mehrere Beispiele, die von Elektronik-Recycling bis zum „Kulturstadl“ reichen. Auch die Maschinenring-Tochter „MR-Service“, von der Wolfgang Költringer berichtet, bietet auf der einen Seite Landwirten die Möglichkeit, ein Zusatzeinkommen zu erwirtschaften und durch bessere Maschinenauslastung ihre Produktionskosten zu senken sowie auf der anderen Seite den Gemeinden rasche und zuverlässige Erledigung kommunaler Arbeiten, wie Schnee- und Kanalräumung, Landschaftspflege etc.

In allen Beiträgen ist eine Tendenz zu erkennen: Auch wenn das globale Denken in unserer Zeit immer wichtiger wird, kommt es darauf an lokal zu handeln!

Viele kleine Menschen, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, werden das Angesicht der Erde verändern. (Westafrikanisches Sprichwort)

(Editorial von Dipl.-Ing. Eva-Maria Munduch und Dipl.-Ing. Barbara Wagl)

Inhaltsverzeichnis
Herausforderungen an die Bildungsarbeit im ländlichen Raum
Wilhelm Heiner Herzog

Erwerbskombination und flächendeckende Landwirtschaft
Werner Pevetz

Innovation oder städtische Romantik? Soziokulturelle und ökonomische Aspekte von Aussteigerlandwirtschaften in ländlichen Regionen
Michael Groier

Der kurze Weg zum Konsumenten – Kulturlandschaftsprojekt Wilhelmsburg
Barbara Wagl

Ein interessantes Marktsegment für Direktvermarkter: Die Hotellerie
Robert Poschacher

Der „Thalgauer Bauernkramer“ – Innovative Direktvermarktung
Josef Bliem

Umnutzung landwirtschaftlicher Gebäude für neue Einkommenskombinationen
Günther Schickhofer

Der ÖKL-Elektronikschrott-Recyclinghof – Ein Pilotprojekt als Praxisbeispiel
Gerhard Jüngling

Maschinen-Ring (MR)-Service – Die Profis vom Land starten durch
Wolfgang Költringer

Aus der ÖKL-Arbeit

Mitteilungen und Leserbriefe

Umfang: 36 Seiten, A-4-Format