Tourismusinitiativen im ländlichen Raum
„Klasse statt Masse – Tourismus am Wendepunkt wohin?“
Die Daten des heimischen Fremdenverkehrs sind, trotz nun schon regelmäßiger Hiobsbotschaften in den Medien, nach wie vor beeindruckend: Mit 112 Mio. Nächtigungen werden rund 7% der Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet. 1,1 Mio. Fremdenbetten, 3.400 Seilbahnanlagen und 25.000 ha Skipisten zeugen von der enormen Kapazität, die ausgelastet werden will. Weite Regionen unseres Landes, v.a. in den westlichen Bundesländern, sind nahezu flächendeckend von der touristischen Nutzung geprägt. Für Jahrzehnte galt die Kombination von alpiner Berg- und Seenlandschaft und baulichen Kulturjuwelen als unschlagbares Erfolgsgeheimnis im internationalen Tourismusgeschäft. Die hervorragende Ausbildung unseres Personals ist nicht nur der Prosperität des Fremdenverkehrs im eigenen Land zugute gekommen, sondern wurde zum Exportartikel. Seit der globale Wettbewerb auch den Tourismus erfaßt hat, werden traditionelle Urlaubsformen zunehmend durch teils billigere, teils erlebnisträchtigere Angebote in anderen Weltgegenden konkurrenziert. Der Druck auf die heimischen Tourismusvermarkter steigt, im Wettkampf um Erlebnis, Animation und Abenteuer zu punkten und dafür weitere Stücke unserer Landschaft dementsprechend aufzuschließen und auszustatten.
Die Krisenzeichen sind mannigfaltig. Ökonomen machen darauf aufmerksam, daß auch touristische Angebote und Konzepte einem Produktzyklus – also einer begrenzten Lebensdauer am Markt – unterliegen; so mancher augenscheinliche Verfall ehedem mondäner Sommererholungsgebiete sei dadurch zu erklären. Raumordner warnen schon lange und zuweilen unverstanden vor dem Zerfall einer traditionell genutzten Kulturlandschaft und vor dem Eindringen in die letzten Naturreservate unserer Alpen. Regionalentwickler propagieren „sanfte“ Tourismusprojekte als wirtschaftlichen Hoffnungsschimmer für vornehmlich periphere Regionen. Die Tourismuswirtschaft fühlt sich als „cash cow“ für die finanziellen Begierden der öffentlichen Hand. Die Entscheidungsträger in den Gebietskörperschaften geraten als Infrastrukturhersteller und Förderer immer stärker in den Zwiespalt zwischen vermuteten oder nachweislichen (Umweg-) Rentabilitäten und befürchteten oder belegten Umwelt-Beanspruchungen. Nicht zuletzt die Bemühungen gleich dreier Bundesländer um eine Olympia-Kandidatur manifestieren die Unsicherheit über die Zukunft unseres Tourismus als Säule unserer Volkswirtschaft, aber vor allem den Willen, das Steuer wieder in die Hand zu nehmen.
Diese Gedankensplitter können nur aufzeigen, wie vielschichtig und widersprüchlich, insbesondere aber existentiell die Diskussion um die weitere Entwicklung unseres Fremdenverkehrs mit seinen wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen, kulturellen und ökologischen Auswirkungen ist. Es war daher an der Zeit, diesem Dauerbrenner eine Nummer unserer Zeitschrift zu widmen und ein breites Spektrum an Autoren einzuladen, Grundsätzliches über Positionierung und Auswirkungen zum einen und Originelles über aktuelle Projekte zum anderen darzulegen.
(Editorial von Dipl.-Ing. Dr. Heinz Dörr)
Inhaltsverzeichnis:
Allgemeine Tourismusentwicklung
Diether Bernt
Integrativer Tourismus – Herausforderung für alle Akteurinnen und Akteure
Christian Baumgartner
Die Kooperation Landwirtschaft & Tourismus („L&T“) – Eine Gegenüberstellung
Franz Greif
Landtourismus – Agritourismus – Urlaub am Bauernhof
Werner Pevetz
Alpine Raumordnung und Tourismus
Peter Haßlacher
Zweitwohnsitze und Tourismus
Eva Kristina Mayer
Die strategische Ausrichtung des Fremdenverkehrs im Alpenraum am Beispiel Südtirol
Harald Pechlaner
„Sanfte Mobilität“ in Werfenweng
Karl Reiner
Pferderegionen in Niederösterreich – Eine Innovation aus der Praxis
Helma Hamader
Fahrradtourismus als neue Reiseform
Karin Siebenhandl
Mitteilungen
Umfang: 44 Seiten, A-4-Format