Funktionen der Landschaft
Landschaft ist wahrgenommener, gestalteter Raum. Raum ist die Möglichkeit physischer Verwirklichung und der Bewegung. Landschaft hat, bezogen auf den Menschen, drei Grundfunktionen: Nutzung zur Deckung des Nahrungsmittelbedarfs, Ort zur Errichtung der Grundstrukturen des menschlichen Lebensraumes und Deckung des Bedarfs an spirituellem Erlebnis (Erholung, Erbauung, Erfahrung, Erkenntnis, Erlebnis der Schönheit von Natur und Landschaft).
Landnutzung ist mit der physischen Existenz der Menschheit auf dem Planet Erde unausweichlich verbunden. In ihr liegt, seit der Sesshaftwerdung des Menschen, der Ursprung des Bauerntums und der Kulturlandschaft landwirtschaftlicher Prägung. Das zweite, ebenso alte Element der Landschaften – ebenfalls ein Grundbedürfnis der Menschen deckend – sind Bauten, teils aus religiösen, teils aus profanen Gründen errichtet. All´ dies, hier nur angedeutet, ist Landnutzung als Grundfunktion der Landschaft in engerem und weiteren Sinn. Dabei entstand – und entsteht – in ≥Koevolution„ mit uns Menschen Landschaft. In ihr und durch unsere Wahrnehmung spiegeln sich die technischen Fähigkeiten, Paradigmen und Werthaltungen der Gesellschaft(en), die ≥Ordnung der Natur und des Menschen„. Und wir haben das Glück, dass uns das, was in diesem unaufhörlichen Prozess der Landnutzung eigentlich unabsichtlich entstanden ist, grundsätzlich gefällt und in so vielen Fällen einfach als ≥schön„ empfunden wird. Wir sollten dieses lebendige Erbe nicht gering achten, es deckt große und unverzichtbare Bereiche unserer physischen und spirituellen Grundbedürfnisse!
Funktionsbereiche
Tatjana Fischer beginnt mit ihren grundlegenden Gedanken über den Raum selbst zu reflektieren, um bald auf die Rolle des Menschen – er weist dem Raum Funktionen zu – einzuschwenken und da einige spezifische Funktionen auszuleuchten. Um vernachlässigte oder vergessene Räume zu kennzeichnen, erhält dabei ein bekannter Ausdruck eine neue Bedeutung: der ≥Zwischenraum„. Auch sie weist auf den schnellen Wandel hin, indem sie sagt ≥was heute wünschenswert erscheint, kann sich morgen schon zu einem Problem Œauswachsen‚„.
Helga Gamerith und Michael Strauch beleuchten das Problem anhand des oberösterreichischen Fallbeispieles von ≥drei Defiziten- drei Lösungen„. Sie stellen eine praktikable Möglichkeit der Raum- oder Landschaftsgliederung für Oberösterreich vor (41 Raumeinheiten) und betonen zu Recht die Bedeutung der Einbeziehung der Bevölkerung in alle relevanten Planungen.
Ulrike Pröbstl erhellt die Probleme des Funktionsbereiches Landschaft und Erholung. Sie zeigt die unterschiedlichen Erwartungshaltung unterschiedlicher Menschen auf und geht auf die wahrscheinlich weitere Beschleunigung des Landschaftswandels durch die EU-Erweiterung ein.
Michael Jungmeier und Christina Pichler-Koban zeigen anhand eines agrarökologischen Projektes in Kärnten, wie durch Überbetonung eines Faktors aus einem bislang ausgewogenen Nutzungsspektrum das landschaftökologische Gleichgewicht außer Balance gerät; dadurch ändert sich auch das mit ihm verbundene Landschaftsbild zum Schlechteren. Zugleich wird aber auch gezeigt, dass die lokale bäuerliche Initiative zum Gegensteuern dieser Entwicklung eine weltweit beachtete Auszeichnung auf der EXPO Hannover gewann.
Franz Greif, Sophie Pfusterschmid und Klaus Wagner plädieren in ihrem komplexen Beitrag für eine bessere Koordination der Nutzungsansprüche und eine starke Etablierung einer ≥Agrarischen Raumplanung„. ≥So können und sollen – ähnlich dem Waldentwicklungsplan – in Zukunft auch die Landwirtschaftsflächen Österreichs einer Funktionsbewertung unterzogen und nicht nur nach ihrer materiellen Produktionsleistung … beurteilt werden.
Gerhard Fasching legt schließlich klar, dass die Sicherung der landwirtschaftlichen Grundversorgung heute bestenfalls von akademischem Interesse ist. Dies kann sich aber schlagartig ändern, sei es durch Seuchen, kriegerische oder terroristische Ereignisse. Es sei gestattet, zu fragen, welche Auswirkung auf Landschaftsökologie und -bild und andere in diesem Heft aufgezeigte Funktionen der Landschaft die Umsetzung dieser Doktrin hätte.
Die Betrachtung der Bilder zum Schulprojekt ≥Meine Traumlandschaft„ macht den Autor dieses Editorials sehr nachdenklich …
Um mit einer weiteren Grundsatzüberlegung abzuschließen, möchte ich sagen, dass der Bauer oder Landwirt als Berufsstand zwei Produkte anzubieten hat: die Bereitstellung von (Grund-) nahrungsmitteln und die Gestaltung von Landschaft. Beide stehen miteinander in Beziehung und für beide steht ihm eine entsprechende Honorierung zu.
Ihr Arthur Spiegler
(Editorial)
Einzelpreis: Euro 3,63