Traktor und Landmaschine im Straßenverkehr – das ÖKL-Kolloquium 2016
Steigende Besucherzahlen bei seinen alljährlichen Kolloquien ist das ÖKL gewohnt, doch mit etwa 270 Teilnehmern hat es offenbar ein höchst aktuelles Thema aufgegriffen. Dass von den neun Vortragenden fachkundige Information erwartet wurde, bewies die Anwesenheit von über 20 Polizisten.
Der Obmann des ÖKL, Stefan Dworzak, selbst Praktiker, sah in der Begrüßung die Berufskollegen als „unfreiwillige Verkehrsteilnehmer“ auf öffentlichen Straßen und die gleichzeitig zunehmenden Tonnagen als Folge sich ändernder Strukturen. Sie wollen diese nicht, müssen aber die öffentliche Straßen benützen – und das mit Fahrzeugen, die dafür nicht unbedingt optimiert sind.
Heinrich Prankl begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im eindrucksvollen Ambiente des Schlosses der HBLFA Francisco Josephinum und erläuterte einen Hintergrund für das Kolloquium: Im Jahr 2011 wurde an der BLT in Wieselburg das Fachgremium „Landmaschinen im Straßenverkehr“ gegründet, das mit hochkarätigen Experten aus den Ministerien, Landesregierungen, den Wirtschafts- und Landwirtschaftskammern, der SVB und weiteren Interessensvertretungen (z. B. MR, VLÖ, ÖKL, u.a.m.) besetzt ist. Darin werden virulente straßenverkehrsrechtliche Themen diskutiert, bei denen es oft um eine praxisgerechte Auslegung von Vorschriften geht.
Johannes Hütter, Landeschulinspektor in der Steiermark ging das Unterwegssein mit breiten und leistungsfähigen Maschinen in seinem psychologischen Aspekt an: wer in den Wald fährt, sorgt dafür, dass die Säge geschärft, betankt und das Werkzeug dabei ist – für eine geplante Arbeit. Dagegen fährt man mit den Traktor ganz selbstverständlich auf die Straße; häufig ohne sich zu vergewissern, dass Warnweste, Verbandspaket und Warndreieck dabei ist. (Andererseits: wo verstaut man auf dem 100.000–Euro–Traktor das Dreieck, die Schaufel zum Straßenreinigen?) Psychologie spielt auch bei der unterschiedlichen Wahrnehmung zwischen Fahrer und Fußgängerin eine Rolle: für die Frau mit Kinderwagen „rauscht“ ein Gespann mit zwei Meter hohen Rädern knapp vorbei. Der Fahrer wiederum fährt aus seiner Sicht eh nur mit 20 km/h und weicht so weit wie möglich aus. Auf der Straße müssen die hinteren Arbeitsscheinwerfer ausgeschaltet sein: wer den scheinbar entgegenkommenden weißen Scheinwerfern man nach rechts ausweicht… Hütter verwies auf die vielen Ausnahmen für die Landwirtschaft, die man nicht überstrapazieren sollte: Prinzipiell darf ein 16-jähriger mit 40 t und der relativ hohen Geschwindigkeit von 50 km/h unterwegs sein!
Gemäß Franz Handler (HBLFA Francisco Josephinum) werden Achslasten am Traktor nur zu bald über- und unterschritten und wenn es diese nicht sind, dann die Tragfähigkeit der Reifen, deren Druck auf dem Acker abgesenkt werden sollte. Hierzu ergänzte MR DI Watzinger, im BMLFUW für Invest-Förderungen zuständig, dass Reifendruckregelanlagen mit 40 % gefördert werden.
Gewicht kann am Traktor effektiver eingesetzt werden, wenn es an einem längeren Hebel lastet. (Anm: Auf der Messe in Bologna wurde eine hydraulische Konstruktion mit der beziehungsvollen Bezeichnung „multiplicatore“ vorgestellt, die das Front- oder Heckgewicht verschiebbar macht, sodass auf der Straße die Achslasten nicht überschritten werden und auf dem Acker ein höchstmöglicher Effekt erreicht wird.) Nach einer Faustregel steigert 1t Ballast auf dem Acker den Verbrauch um einen Liter. Schon vor dem Kauf müssen Maße und Gewicht der Gerätekombination berücksichtigt werden. – Auf die möglichen Konsequenzen einer scheinbar günstigen, aber in Österreich nicht genehmigungsfähigen Maschine hatte in dem Zusammenhang schon Hütter verwiesen. Da ist es vergleichsweise angenehm, wenn man den verkehrsrechtlichen Bestimmungen schon dadurch genügt, dass man den Saatgutbehälter halt nicht ganz befüllt. Auf der Waage muss das Gespann zur Achsverwiegung eben stehen.
Wenn in Niederösterreich jährlich 12.0000 Routengenehmigungen erteilt werden, setzt dies eine kurze Bearbeitungszeit voraus und sie beträgt nur einen Tag, wie Manuela Schandl vom Amt der NÖ Landesregierung erläuterte! Die Gültigkeit schwankt bundesländerweise zwischen unbefristet und (Wien) nur einem Jahr; auch kann sie mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten verknüpft sein; grundsätzlich bezieht sie sich nur auf Bundes- und Landesstraßen. Für die zunehmend verbreiteten Raupenfahrwerke ist die Bestimmung einer Brückenlast relativ aufwendig.
Auf die teilweisen komplexen führerscheinrechtlichen Bestimmungen in der Land- und Forstwirtschaft ging Patrick Majcen von der LK Österreich ein. Der Fahrerqualifizierungsnachweis ist im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft nicht notwendig.- Majcen hob aus den 13 Vormerkdelikten besonders jene zur Ladungs- und Kindersicherung hervor. Der nationale Führerschein F wird nur in einigen EU-Ländern anerkannt, was ein für die Auslandspraxis zu beachtender Faktor ist. Eine Erleichterung für ausländische Praktikanten ist, dass derartige Führerscheine hierzulande weitgehend anerkannt werden.
Stefan Dirnberger, Geschäftsführer der RUG Raiffeisen Umweltgesellschaft, zeigte die Grenzen der Handwerkerregelung für Gefahrguttransporte auf. Die strengen Vorschriften von „ADR“ (Europäisches Übereinkommen für die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße) haben wirklich große Berechtigung: Waren in den Siebzigerjahren auch hierzulande noch alljährlich -zig Verunglückte aufgrund von Gefahrguttransporten zu beklagen, hat sich die Situation seit Einführung der Regelung drastisch verbessert. Für die kommenden zwei Jahre gilt „ADR 2017“.
Stoffe, Gemische und Gegenstände, die beim Transport für Menschen und Umwelt gefährlich werden können, unterliegen strengen Auflagen. Sie dürfen entweder gar nicht, nur in bestimmten Mengen oder nur unter bestimmten Auflagen befördert werden.
Während prinzipiell alle gewerblichen Betriebe inkl. Landwirte davon betroffen sind, gibt es gleichzeitig diverse Ausnahmen, z.B. für Privatpersonen (meist Kleinmengen), Handwerker (für den Tagesbedarf) und auch eine Art „Traktorregelung“ für land- und forstwirtschaftliche KFZ plus Anhänger. (Ziffer „10“ in der Zeile A4 des Zulassungsscheines). Mehr Detailbestimmungen finden Sie in den Referaten – bitte klicken Sie auf den jeweiligen, farblich unterlegten link.
Reinhard Allerstorfer, Maschinenring Oberösterreich, frischte die wichtigsten Grundsätze der Ladungssicherung auf und untermauerte diese mit Bildern. Denn Ladegut und Geräte zur Ladungssicherung sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Das wichtigste Hilfsmittel, die Reibung zwischen Ladegut, z.B. auf Paletten, und glatten Ladeflächen zu erhöhen, sind rutschhemmende Matten.
Zurrgurte (um die ausreichende Anzahl leichter bestimmen zu können, stellte Allerstorfer den Behelf „Zurrkraft Controller“ vor) nützen nur, wenn sie an entsprechend stark ausgelegten Zurrpunkten Halt finden – was bei älteren landwirtschaftlichen Hängern oft kaum möglich und beim Neukauf eines Kippers heutzutage anzusprechen ist.
Welche Transporte noch als landwirtschaftlich gelten oder doch – mit oft schärferen Auflagen oder (steuer-) rechtlich anders behandelt – gewerbliche Transporte mit Konzessionspflicht darstellen, legte Helmut Scherzer von der Vereinigung Lohnunternehmer Österreich dar. Die gewerberechtlichen Ausnahmen für bäuerliche Nachbarschaftshilfe und landwirtschaftliche Fuhrwerksdienste –wesentliche Details in seinen Folien – sind schnell ausgereizt und so mancher Landwirt wurde wegen Übertretung der Ausnahmebestimmungen schon empfindlich bestraft, einzelne Vergehen addiert: so beträgt die Mindeststrafe nach Anzeige wegen unerlaubtem Güterverkehr 1500 Euro und falls auch noch ein 50 km/h Traktor ohne Kontrollgerät im Einsatz war…
Herbert Atzlinger, Chef der gleichnamigen Firma im oberösterreichischen Niederneukirchen, die sich mit Druckluftsystemen, Klimaanlagen, und Reifendruckregelsystemen beschäftigt und für mehr als 50 Landmaschinenhersteller etwa 5000 Varianten von Druckluftbremsen aufbauen kann (seit 1970 über 80.000 Anlagen), legte seinen Referatsschwerpunkt auf mögliche Probleme bei Traktoren mit stufenlosen Getrieben. Denn mittlerweile bieten fast alle Hersteller auch stufenlose Getriebe, und das in immer leichteren Baureihen.
Durch automatische Abbremsung – Getriebeverzögerung beim Loslassen des Fahrpedals bis zum Stillstand der Antriebsachse – werden völlig neue Fahreigenschaften geschaffen, die schon so manchen Fahrer in kritischen Situationen überfordert haben. Eine schwere, ungebremste Anhängelast schiebt allzu leicht einen Traktor mit rutschender Hinterachse unkontrollierbar aus der Spur. Hohe Sachschäden und schwere Verletzungen mit Todesfolge drohen.
Abhilfe schaffte bisher – neben genauem Studium der Betriebsanleitungen und Befolgen der empfohlenen Vorgangsweise – die manuell zu betätigende Streckbremse, wodurch der Anhänger auch ohne Betätigung der Fußbremse abbremste. Eine automatische Streckbremse für Stufenlostraktoren ist bis dato nicht eingeführt, aber – auch bei Atzlinger – in Entwicklung.
Die neuen EU-Richtlinien 167/2013 bzw. 2015/68 bringen zwar einige Verbesserungen, schaffen aber mit dem bestehenden Fahrzeugbestand mögliche neue Probleme. Denn manuell betätigte Streckbremsen können nicht mehr einzelgenehmigt werden und der vorgeschriebene Druckanstieg im Verhältnis zur Verzögerung passt nicht ganz, wenn Traktoren und Anhänger, eingestellt nach der neuen Norm, und alte Anhänger (unter 30 km/h) gekoppelt werden. Hier wird im Detail künftig noch Abstimmungsbedarf bestehen. Erste automatische Streckbremsen (-nachrüstsätze) im Lauf der Jahres 2017 auf den Markt, Hersteller wie Haldex und Wabco entwickeln gerade automatische Anhängersteuerventile, die wahrscheinlich zuerst in den neuen Baureihen der höheren PS – Klassen angeboten werden.
Atzlinger appellierte, speziell mit Stufenlostraktoren bis zur offiziellen Verfügbarkeit besonders vorausschauend und aufmerksam zu fahren – jeder (Traktor-) Hersteller empfiehlt in der Betriebsanleitung, wie schwere Anhängelasten bestmöglich zu bremsen sind. Darüber hinaus wären typspezifische Fahrertrainings sinnvoll…
Zum Abschluss des informativen Tages besprach Wilhelm Schagerl von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern anhand von knapp 90 Photos gute und schlechte Beispiele diskussionswürdiger Ausstattungsmerkmale der straßenverkehrstauglichen Ausrüstung von Landmaschinen.
Die Präsentationen der Referate sind HIER abrufbar.
Gebhard Aschenbrenner (ÖKL) und Otto Krönigsberger (Landwirt)