Veranstaltung Bergland(wirt)schaft nach dem Jahr der Berge
Die Zukunft der Bergland(wirt)schaft nach dem Jahr der Berge, so hieß eine am 13. Dezember 2002 im großen Festsaal der Universität für Bodenkultur in Wien abgehaltene Tagung, der das vorliegende Heft gewidmet ist. Viele Aspekte der Berglandwirtschaft unter heutigen Bedingungen wurden dabei beleuchtet, viele Ängste und Befürchtungen geäußert, aber auch mögliche Lösungsansätze zur Erhaltung der Land(wirt)schaft im Berggebiet aufgezeigt. Unsere Landwirtschaft und besonders jene im Bergraum steht ja im Spannungsfeld der Globalisierung. Was gestern noch als lebensnotwendiges und selbstverständliches Ziel erschien, nämlich die Selbstversorgung der Bevölkerung mit im eigenen Land produzierten Lebensmitteln sicherzustellen, kann heute durchaus in Frage gestellt werden. Denn sollte man in Zeiten der liberalisierten Märkte nicht dort produzieren, wo es am rationellsten und kostengünstigsten ist? Warum Milch weiter teuer und aufwendig in den österreichischen Alpen erzeugen, wenn dies in den Niederlanden oder Norddeutschland viel leichter und billiger möglich ist? Ist nicht heute bereits der Tourismus eine viel bessere und lukrativere Einkommensquelle als die Landwirtschaft?
Über 12.000 Berglandwirtschaftsbetriebe sind im Zeitraum von 1990 bis 1999 aufgegeben worden, rund 85.000 sind noch übrig. Die im Rahmen der Agenda 2000 von der EU geplanten weiteren Senkungen der Produktpreise in Richtung Weltmarktniveau sowie die längerfristig diskutierte Liberalisierung des Milchmarktes werden den Druck zur Betriebsaufgabe weiter erhöhen.
Die Frage ist nur: Was passiert mit unserer Landschaft, wenn der Trend zum (Berg)Bauernsterben in den kommenden Jahrzehnten ungebrochen weitergeht?
≥Wenn man durch die Berggebiete fährt und es ist alles nur Wald ˆ wie würde denn das ausschauen?„ Martin Stickler, selbst Bergbauer in Puchberg am Schneeberg, regte bei der Podiumsdiskussion zum Nachdenken an, als vom Publikum zur Diskussion gestellt wurde, ob Viehhaltung in unserem Berggebiet unter den derzeitigen Bedingungen nicht ≥sowieso unrationell sei.„ Auch die anderen Podiumsdiskutanten protestierten gegen die Vorstellung, dass es bei uns bald keine Berglandwirtschaft mehr geben könnte. ≥Der Mensch ist ein Wesen der Offenlandschaft,„ meinte etwa Dr. Ruth Wokac, Haustierökologin, und MR Ing. Ignaz Knöbl vom Lebensministerium betonte mehrmals, dass es ≥ein erklärtes Ziel der österreichischen Agrarpolitik sei, die Landwirtschaft im Berggebiet flächendeckend zu erhalten.„ Gleichzeitig stellte aber auch er die Frage, ob ≥Bauern dazu bereit sind, nur aufgrund des aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellten ≥Landschaftspflegeeinkommens„ weiter zu wirtschaften?„ Direkt danach gefragt, sagen die meisten LandwirtInnen, dass sie gerne (wieder) vom Verkauf ihrer Produkte leben möchten. Die einzige Chance, dies unter den derzeitigen Rahmenbedingungen zu realisieren, liegt in der regionalen und/ oder direkten Vermarktung. Wie das von Michaela Burgstaller vorgestellte Projekt der ≥Gailtaler Speck- und Käsestraße„ beweist, bietet die Abkoppelung vom globalen Markt durchaus viele Vorteile, die sich nicht nur im bäuerlichen Einkommen, sondern ebenso in der Neuentdeckung regionaler Kultur und Identität niederschlagen. Auch die Ergebnisse des von Robert Lechner vorgestellten Kulturlandschaftsprojektes manifestieren die Notwenigkeit regionalpolitischen und -wirtschaftlichen Handelns.
Die Frage ≥Warum überhaupt noch Landwirtschaft im Gebirge„ beantwortet Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Holzner, indem er betont, dass ≥Gebirgslagen zwar Ungunstlagen für industrielle Landwirtschaft, jedoch Gunstlagen für die Produktion hochwertiger Nahrungsmittel, hochwertiger Erholungslandschaft und für die Vernetzung von Naturschutz und Landwirtschaft„ sind!
Dr. Hans Haid, bekannter Schriftsteller, Volkskundler und Bergbauer meinte in seinem Schlussstatement der Podiumsdiskussion, dass seine ≥ganz große Hoffnung der erstaunlich große Überlebenswille der Menschen in den Alpenregionen„ sei. Und auf diesen Überlebenswillen darf man bauen, vor allem dann, wenn er durch eine Vielzahl von neuen regionalen Kooperationen zwischen Landwirtschaft, Wirtschaft, Tourismus, Naturschutz und natürlich den Konsumenten – und damit von uns allen – getragen wird!
Ihre Barbara Steurer (Redaktion Land & Raum)
Inhaltsverzeichnis
Editorial (Barbara Steurer)
Almwirtschaft ist Naturschutz – vom Sterben und (Über)Leben der Bergbauern und ihrer Landschaft (Wolfgang Holzner und Barbara Steurer)
Kultur ? Landschaft ? Entwicklung ? (Robert Lechner)
Gailtaler Speck-Käse Straße – Durch´s Gailtal den Geschmack erforschen! (Michaela Burgstaller)
Podiumsdiskussion “Die Zukunft der Bergland(wirt)schaft nach dem Jahr der Berge” Zusammenfassung
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