Neue Wege in der Landwirtschaft
„Von Strukturwandel und Neuanfang“
„Die Zukunft hat längst begonnen, wir haben es nur nicht bemerkt.“ Mit diesem Zitat eröffnet o. Univ.-Prof. DDr. J. Boxberger, Vorsitzender des Fachsenates Landwirtschaft der Universität für Bodenkultur und Leiter des Institutes für Land- Umwelt- und Energietechnik seinen Beitrag zum Thema „Landwirtschaft im Jahr 2017“ für die Festschrift „50-Jahre ÖKL“.
Die Landwirtschaft befindet sich zweifellos in einer Umbruchsphase. Denn Globalisierungstendenzen wirken sich dort besonders drastisch aus, wo jahrhundertelang für einen kleinen, überschaubaren Markt produziert wurde. Gerade im Lebensmittelbereich war ja das Streben nach einer nationalen Eigenversorgung bis vor kurzem erklärtes Ziel der Agrarpolitik. Interessant erscheint, daß diese Eigenversorgung in Österreich erst Mitte der 70-er Jahre erreicht werden konnte und daß sich das Problem agrarischer Überschüsse erst ab diesem Zeitpunkt stellte. Die durch WTO- und EU-Beitritt besiegelte Liberalisierung der Märkte führte in den letzten Jahren zu gänzlich geänderten Rahmenbedingungen und verschärften Konkurrenzsituationen in der österreichischen Landwirtschaft.
Wie Wilhelm H. Herzog in seinem Artikel zum Thema „Bildungsarbeit im ländlichen Raum“ anführt, steht der „Verunsicherung und Zukunftsangst“, die sich aufgrund der „negativen Einkommenssituation und zunehmend sozialer Defizite“ ergeben, die „Suche nach Werten, Orientierung und neuen Strukturen“ gegenüber. Die Wichtigkeit der Bildungsarbeit wird in diesem Zusammenhang besonders herausgestrichen.
Auch die anderen Beiträgen zeigen, daß der Druck, der vielerorts auf den Betrieben lastet, nicht nur zur Resignation und Selbstaufgabe führen muß, sondern ganz im Gegenteil vielfach bisher schlummernde Kräfte mobilisiert.
So zeigt sich deutlich eine verstärkte Bereitschaft zur regionalen und überbetrieblichen Zusammenarbeit. Aus Einzelkämpfern werden Gemeinschaften, aus ehemaligen Konkurrenten Vermarktungskooperationen. „Die positive soziale Komponente drückt sich in einem neuen Zusammengehörigkeitsgefühl, stärkerem Selbstwertgefühl und positivem Denken aus“. Dieses von Josef Bliem in seinem Beitrag über die Direktvermarktungsgemeinschaft „Thalgauer Bauernkramer“ Gesagte, trifft nicht nur auf diese zu. Landauf, landab entstehen derzeit neue „Landwirtschaftsmodelle“, überall wird nach neuen Wegen zum Überleben gesucht. Dabei fällt auf, daß es nicht immer nur die Landwirte selbst sind, die ihre Betriebe sichern möchten. Wie das Fallbeispiel der „Hoflieferantengemeinschaft Wilhelmsburg“ zeigt, gibt es viele Interessensgruppen, denen die Erhaltung der regionalen Landwirtschaft ein Anliegen ist. Denn es gibt viele Bereiche, die an den Fortbestand der Landwirtschaft einer Region geknüpft sind.
Eine ganz andere Schiene beschreibt Michael Groier in seinem Artikel über die Aussteigerlandwirtschaften im Waldviertel. Er zeigt, daß die vielen unterschiedlichen Betätigungsfelder der Aussteiger/innen, die von Kleintierzucht bis Textilkunst reichen „nicht nur zu einer Belebung der traditionellen Landwirtschaft“ beitragen, sondern daß die Aktivitäten und Initiativen der Aussteiger/innen „als eine Art gesellschaftlicher Sauerteig in ländlichen Regionen wirken.“
Auf der Suche nach neuen Erwerbskombinationen entstand die Idee der Umnutzung leerstehender landwirtschaftlicher Gebäude. So zeigen die Autoren Günther Schickhofer und Gerhard Jüngling mehrere Beispiele, die von Elektronik-Recycling bis zum „Kulturstadl“ reichen. Auch die Maschinenring-Tochter „MR-Service“, von der Wolfgang Költringer berichtet, bietet auf der einen Seite Landwirten die Möglichkeit, ein Zusatzeinkommen zu erwirtschaften und durch bessere Maschinenauslastung ihre Produktionskosten zu senken sowie auf der anderen Seite den Gemeinden rasche und zuverlässige Erledigung kommunaler Arbeiten, wie Schnee- und Kanalräumung, Landschaftspflege etc.
In allen Beiträgen ist eine Tendenz zu erkennen: Auch wenn das globale Denken in unserer Zeit immer wichtiger wird, kommt es darauf an lokal zu handeln!
Viele kleine Menschen, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, werden das Angesicht der Erde verändern. (Westafrikanisches Sprichwort)
(Editorial von Dipl.-Ing. Eva-Maria Munduch und Dipl.-Ing. Barbara Wagl)
Inhaltsverzeichnis
Herausforderungen an die Bildungsarbeit im ländlichen Raum
Wilhelm Heiner Herzog
Erwerbskombination und flächendeckende Landwirtschaft
Werner Pevetz
Innovation oder städtische Romantik? Soziokulturelle und ökonomische Aspekte von Aussteigerlandwirtschaften in ländlichen Regionen
Michael Groier
Der kurze Weg zum Konsumenten – Kulturlandschaftsprojekt Wilhelmsburg
Barbara Wagl
Ein interessantes Marktsegment für Direktvermarkter: Die Hotellerie
Robert Poschacher
Der „Thalgauer Bauernkramer“ – Innovative Direktvermarktung
Josef Bliem
Umnutzung landwirtschaftlicher Gebäude für neue Einkommenskombinationen
Günther Schickhofer
Der ÖKL-Elektronikschrott-Recyclinghof – Ein Pilotprojekt als Praxisbeispiel
Gerhard Jüngling
Maschinen-Ring (MR)-Service – Die Profis vom Land starten durch
Wolfgang Költringer
Aus der ÖKL-Arbeit
Mitteilungen und Leserbriefe
Umfang: 36 Seiten, A-4-Format