Land & Raum 4 2004

Ländlicher Raum und Osterweiterung

Die Winterausgabe beschäftigt sich mit der Osterweiterung, umfasst 40 Seiten und enthält folgende Artikel:

Franz Greif:
Der ländliche Raum Ostmitteleuropas – eine Problemskizze sowie Deklaration von Salzburg
András Vissi:
Regionalentwicklung durch Regionale Entwicklungsagenturen – das Beispiel West Pannonia
Miroslava Cierna-Plassmann:
Unsichere Zukunft für (naturschutzfachlich) wertvolles Grünland in der Slovakei
Wolfgang Suske:
Mit der Ostererweiterung erlebt der Naturschutz völlig neue Dimensionen – Europa ist bereichert worden
Josef Mayerhofer:
Der Reißverschluss der EU-Erweiterung
Günther Schickhofer
Ländliche Entwicklung in Estland sowie Rumänien und die Kirchenburgen Siebenbürgens
Georg Konrad:
Flächenanalyse und energetisches Nutzungspotenzial nachwachsender Rohstoffe im EU-Osterweiterungsraum

Außerdem: Projektberichte, Literaturhinweise, Biosphärenpark Wienerwald

Editorial von Barbara Steurer:

Vor 30 Jahren stand ich als Kind mit meinen Eltern in Hainburg direkt an der Donau und schaute mit dem Feldstecher auf das andere Ufer, das zur damaligen Tschechoslowakei gehörte. Die Vorstellung, dass es nahezu unmöglich war in dieses so nahe Land zu reisen, und dass die Leute, die in den Häusern dort drüben wohnten, nicht zu uns kommen durften, war beängstigend. Es ist schön, dass diese Zeit endgültig vorüber ist!

Die ≥Osterweiterung„ der Europäischen Union bietet den neuen Mitgliedsstaaten viele Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten, vor allem im Hinblick auf eine Stärkung ihrer Wirtschaft. Die Frage ist jedoch, welche Auswirkungen auf die ländlichen Gebiete dieser Länder zu erwarten sind. Werden schon bestehende große Produktionseinheiten in der Landwirtschaft weiter intensiviert? Welche Auswirkungen gibt es auf die vielen für den Naturschutz relevanten Gebiete im Osten Europas? Wie viel Geld wird vorhanden sein, um den Landwirten die Beibehaltung traditioneller, extensiver Wirtschaftsweisen abzugelten? Können regionale Besonderheiten im immer größer werdenden Markt noch berücksichtigt werden? Was passiert mit jenen Menschen, die in Zukunft keine Arbeit mehr in der Landwirtschaft finden? Wird die Landflucht zu- und die Bedeutung ländlicher Gebiete abnehmen? Vieles muss noch offen bleiben, da die Zukunft der größer gewordenen EU erst begonnen hat.

Im Leitartikel von Franz Greif erfahren wir, dass ≥insgesamt rund 21 % der Beschäftigten in den neuen Mitgliedsstaaten im Primärsektor„, also in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt sind. Im Vergleich dazu sind es in Österreich laut Statistischem Jahrbuch 2004 nur mehr rund 10 %. Die große Bedeutung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes in den neuen Mitgliedsländern ist also unbestritten. Doch die Probleme sind vielfältig, wie eine umfassende Darstellung der ≥Entwicklungsziele„ in den jeweiligen Ländern zeigt.

Von der Notwendigkeit des Aufbaus von regionalen Netzwerken im ländlichen Raum berichtet Andras Vissi von der Westpannonischen Regionalentwicklungsagentur in Sopron, Ungarn, wobei er betont, dass diese ≥vorzugsweise in Form freiwilliger, bürgerrechtlicher Kooperation und nicht als formale Übung nach dem ≥Top-down„-Prinzip„ entstehen sollten.

Von einem funktionierenden grenzüberschreitenden Netzwerk handelt der Artikel von Josef Mayerhofer, der eine bereits lange Jahre bestehende Zusammenarbeit zwischen Grenzregionen im Waldviertel und Tschechien beschreibt.

Günther Schickhofer zeigt in seinem Beitrag über Estland Veränderungen im landwirtschaftlichen Bereich auf, die sich dort in den letzten zehn Jahren abgespielt haben. Interessant sind dabei u.a. die Zahlen zur Reprivatisierung und die Feststellung, dass man in Estland schon ≥relativ früh erkannt hat, dass … Landwirtschaft allein das Landleben nicht retten kann.„

Im Artikel von Georg Konrad wird das Potential zum Anbau von nachwachsenden Rohstoffen in den neuen EU-Ländern beleuchtet. Die Feststellung, dass über 50 % des Energieverbrauches dieser Länder durch pflanzliche Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden könnte, eröffnet viele neue Möglichkeiten.

Miroslava Cierna-Plassmann berichtet über jene Sorgen, die sich gerade der Naturschutz hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Landwirtschaft nach dem EU-Beitritt macht. Sie befürchtet, dass ≥trotz der Instrumente für die ländliche Entwickung die Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die landwirtschaftliche Produktion in den Beitrittsländern intensivieren wird„, was sich wiederum negativ auf die derzeit noch vorhandenen ≥Gebiete mit hohem Naturschutzwert„ auswirken wird.

≥Vieles deutet darauf hin, dass der Dialog zwischen Naturschutz und Wirtschaft mit hoher Reife und Qualität geführt wird.„ Wolfgang Suske betont in seinem Artikel, dass das neue Europa nun die gemeinsame Verantwortung für Erhalt und Entwicklung der vielfältigen Lebensräume der osteuropäischen Staaten übernommen hat. Die neuen Länder haben den Vorteil, dass sie viel von positiven und negativen Erfahrung des ≥alten„ Europas profitieren können.

Wie sich die Zukunft für die ländlichen Räume in den neuen Mitgliedsländern konkret gestalten wird, hängt neben den für Verbesserungen notwendigen finanziellen Mitteln sicher auch vom Selbstbewusstsein der Betroffenen sowie vom Willen zur gegenseitigen Zusammenarbeit aller EU-Länder ab.

≥Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte. Für die Tapferen ist sie die Chance. (Victor Hugo)„

In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ein gutes und erfolgreiches Jahr 2005!

Ihre Barbara Steurer