Land & Raum 2 2006
Biolandbau in Österreich
Eine wesentlicher Grundsatz der biologischen Landwirtschaft ist die Beachtung der Nachhaltigkeit. Dies bedeutet, dass die Bodenfruchtbarkeit durch Kreislaufwirtschaft aufrecht erhalten wird und keine schädlichen Stoffe in den Kreislauf gelangen. Der Energieeinsatz sollte möglichst gering sein.
In den späten siebziger bis Anfang der achtziger Jahre gab es erstmals eine nennenswerte Anzahl von Bio-Betrieben in Österreich. Einige wenige Betriebe allerdings haben die Lehren Rudolf Steiners schon davor berücksichtigt. Sie folgten einer strengen, fast könnte man von “fundamentalistischen” Auffassung, etwa wenn Rindern, die in (Frei-) Laufställen, wo es mitunter zu gefährlichen Rangkämpfen kommen kann, die Hörner nicht entfernt werden dürfen. Es handele sich hier um Antennen, die kosmische Strahlen auffangen könnten. Am anderen Ende der Skala liegen jene Betriebe, die nach dem EU-weit gültigen Codex wirtschaften; dazwischen liegen etliche Abstufungen hinsichtlich der Bedingungen, welche die Verbände vorschreiben.
Schon vor dem EU-Beitritt übertraf Österreich sowohl, was die absolute Zahl als auch den relativen Anteil biologisch wirtschaftenden Betriebe anlangt, die anderen Länder. Das lag nicht nur an einer geschickten Förderungspolitik, sondern – insbesondere in Grünlandlagen – auch daran, dass es für viele Betriebe kein großes Hindernis darstellte, auf die ohnehin geringen Gaben leichtlöslichen Mineraldüngers ganz zu verzichten. Der Einsatz von Herbiziden oder gar Insektiziden im Grünland ist auch bei konventionell wirtschaftenden Betrieben nicht gebräuchlich. Häufi g scheitert die Umstellung bei Milchrindern daran, dass der freie Auslauf an 180 Tagen im Jahr nur unter unverhältnismäßig großem Aufwand, etwa durch Treiben über stark befahrene Straßen, zu erreichen ist. Auch kann der Aufwand für einen Stallumbau hoch sein, insbesondere dann, wenn angesichts der Lage der Landwirtschaft unsicher ist, in wie vielen (eigentlich in wie wenigen) Jahren die Investition verdient werden muss, wenn die Hofnachfolge ungeklärt ist. Den Konsumenten ist es nicht leicht nahe zu bringen, dass viele Betriebe – sei es bei Milch, Fleisch oder Getreide – in der Produktion effektiv zuzahlen. Es ist vielen nicht klar, dass ein derartiger Betrieb nicht unbedingt Schulden haben muss; er zehrt aber von der Substanz. Wenn die Mehrheit der Konsumenten konventionell und kostengünstig – um nicht zu sagen billig – erzeugte Lebensmittel bevorzugt, scheint ihr die steigende Lebenserwartung recht zu geben. Dagegen wäre nichts einzuwenden, denn schließlich könnte man sich auch mit rein organisch-biologisch erzeugten Hamburgern zu Tode essen. Jedoch wird ein großer Teil konventioneller Produkte ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit erzeugt. Der Energieeinsatz in Form von synthetischem Stickstoffdünger ist ebenso groß wie die Transportentfernungen. Ohne Kostenwahrheit werden die Folgen für die Umwelt der Allgemeinheit angelastet. Das Ideal, wonach jeder am Hof des selbstvermarktenden Erzeugers seine Produkte kauft, ist ohnehin nicht erreichbar und würde eine zusätzliche Verkehrsfl ut mit sich bringen. Ein bis an die Grenze des Zulässigen beladenen LKW ist dagegen sogar umweltverträglicher.
Immerhin sind die steigenden Anteile an Bioprodukten gerade im Supermarkt – wenn auch oft an den Siedlungsrändern – positiv zu sehen. Zu einer aufstrebenden Bewegung gehört es, dass sie den Marsch durch die Institutionen antreten muss. Für den Biolandbau bedeutet dies, dass Großverarbeiter auf den Plan treten und Massenware, die allein von der Menge her nicht aus kleinen Regionen stammen kann, erzeugt wird. Ein Strukturwandel hin zu größeren Einheiten erfolgt und “gelistet” wird, wer seinen Konkurrenten unterbietet. Weil die Nachverfolgbarkeit des Einzelbetriebes bei der anonymen Verarbeitung nicht mehr möglich ist, treten hoch zu bezahlende Zertifi – zierer auf den Plan.
Dem Biolandbau ist zu wünschen, dass er den Marsch erfolgreich absolviert.
Gebhard Aschenbrenner (Editorial)
Inhaltverzeichnis:
Zur Entwicklung und Transformation des biologischen Landbaues in Österreich
(Michael Groier)
Standort und Qualität in der Bioproduktion -passt wirklich alles?
(Franz Greif)
Motivationen für Bioprodukte in Österreich
(Eva Thelen und Martina Botschen)
Konzept “Bioregion” – eine Chance für Bauern und Regionalentwicklung
(Markus Schermer)
Die “Kombi-Biobauern” – bauliche Besonderheiten und Erfordernisse
(Günther Schickhofer)
Biolandbau und Gentechnik – von der Unmöglichkeit eines Nebeneinanders
(Josef Hoppichler)
So schmecken die Berge
(Franz Speer)
Erfolgreiche Projekte: Ja, aber wie?
(Ingo Mohl und Daniel Bogner)
Weiters:
Neues von der Groupe de Bruges
Buchtipp
Veranstaltungsbericht
Hinweis Betriebswirtschaftliche Bewertungen von Naturschutzleistungen im Biolandbau