Land & Raum 2 2008

Vernachlässigte ländliche Räume?

Der Salzburger Schriftsteller Karl-Markus Gauß hat vor einiger Zeit einen Essayband mit dem Titel ‘Die sterbenden Europäer’ publiziert. Darin beschreibt er Sprachminderheiten aus den verschiedensten Teilen dieses Kontinents, die sich in ‘vergessenen Räumen’ bis heute halten konnten, nun aber bald endgültig von der europäischen ‘Kulturlandschaftskarte’ verschwunden sein werden.

Nun, so dramatisch geht es bei den vergessenen Räumen, denen wir diese Ausgabe von Land & Raum widmen, nicht zu. Trotzdem: Auch in Österreich gibt es Landstriche, die aus verschiedenen Gründen im Windschatten der öffentlichen Aufmerksamkeit liegen – und es nicht leicht haben, sich im ‘Wettbewerb der Regionen’ zu behaupten. Wir haben das Thema einer Reihe von Experten vorgelegt, deren Statements Sie in diesem Heft nachlesen können.

Nun existieren gerade für die strukturschwachen Regionen Hilfen in Form verschiedener regionalpolitischer Instrumente (z. B. LEADER, Dorferneuerung, Agenda 21, …), die in zahlreichen Fällen zu erfreulichen Entwicklungen beigetragen haben. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen diese Instrumente schlecht greifen – das entsprechende Setting führt uns Tatjana FISCHER in ihrem grundsätzlichen Beitrag vor.

Einen Weg, solche Hemmnisse zu überwinden, stellt Klaus THIEN mit dem Konzept der ‘Lernenden Regionen’ vor. Nicht außer Acht lassen sollte man aber, dass die vergessene Peripherie für manche ein attraktiver Sehnsuchtsraum ist, in dem sich alternative Lebensentwürfe leichter verwirklichen lassen als anderswo. Michael GROJER schildert uns am Beispiel von Aussteigerlandwirtschaften nicht nur individuelle Lebensentwürfe, sondern auch deren positive Impulse auf das soziale Kapital einer Region.

Am konkreten Beispiel beschreibt Thomas MÜLLER, wie sich die vergessene Region Sauwald mit Hilfe der LEADER-Initiative in eine überregional bekannten Marke wandeln konnte.

Ein anderer Aspekt: Arthur SPIEGLER bringt Beispiele von Naturlandschaften, die in den seltensten Fällen zum üblichen Besichtigungsrepertoire zählen werden, bei näherer Betrachtung aber erstaunliche Qualitäten im Detail zeigen, ‘Geheimtipps’ eben.

Und Günther SCHICKHOFER stellt das ≥Haus der Regionen≥ in Krems vor, das sich explizit um die Pflege der europäischen Regionalkulturen annimmt.

Für manche vielleicht überraschend: Nicht nur die berühmten ‘peripheren Gebiete’ sind in Gefahr vergessen zu werden. Franz GREIF analysiert am Beispiel der sterbenden Wiener Stadtlandwirtschaft einen dramatischen Strukturwandel, der von kurzfristig erzielbaren Bodenrenditen angetrieben wird und die in früheren Zeiten essentielle stadtnahe Versorgung mit landwirtschaftlichen Spezialprodukten verschwinden lässt.

(Editorial von Roland Kals)