Land & Raum 4 2011

Die Winterausgabe von Land & Raum widmet sich einem sehr ländlichen Thema und lautet: Sakrale und spirituelle Orte und Wege.

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Land & Raum 4 2011 Inhalt

Einzelpreis: 3,65 Euro,
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Sakrale Orte und Wege werden praktisch immer mit dem ländlichen, aber nur selten mit dem städtischen Raum assoziiert, insofern also eine typische Thematik für Land und Raum. Die neue Ausgabe unserer Zeitschrift widmet sich nun diesem nicht alltäglichen Thema und versucht, wie immer einerseits Strukturen und Erscheinungsbilder, anderseits aber auch Funktionen und auch manche Werthaltungen einzufangen, die dieses Phänomen erfährt.

Zwangsläufig liegt dabei in Österreich (im Alpenraum, in Europa) der Aspekt auf christlichen sakralen Stätten und auf Wegen zu diesen, allen voran auf dem dichten Netz der Jakobswege, die aus ganz Europa dem Ziel Santiago de Compostela zustreben. Doch es gibt nicht nur diese, sondern in jedem Land auch ein quasi untergeordnetes Pilgerwegenetz zu bedeutenden sakralen Orten, die mitunter auch über den Horizont christlicher Verehrung hinausreichen. Denn grundsätzlich sind ja die heutigen Heiligtümer nicht ohne Geschichte, mitunter mit solcher aus der Zeit vor der Christianisierung, Wasserheiligtümer, urzeitliche heilige Berge, vielleicht auch nur ‚große Mugl‘, oder auch Orte der Kraft aus keltischer Zeit, die in den Alpen mehr Spuren hinterlassen haben, als allgemein bekannt ist.

Von ‚Alpenbräuchen‘ und Mythen haben schon vor mehr als 20 Jahren Gerlinde und Hans Haid erzählt, und nicht nur diese. Der ganzen Fülle des Themas kann ein Heft freilich nicht gerecht werden, eine Auswahl ist geboten. So befaßt sich zunächst Roland Stadler mit der Einordnung der spirituellen Wegenetze in den ländlichen Raum, die zwar so etwas wie ideelle Güter sind (die Kosten-Nutzen-Analyse kennt sie als Intangible), aber eben auch Erhaltung erfordern und oft auch Ausbau; das lässt sie zu Projekten der ländlichen Entwicklung und Infrastruktur werden.

Ganz persönliche Erfahrungen mit sakralen Wegen werden in einem Beitrag über einen Abschnitt des Jakobswegs festgehalten. Stefan Dworzak kommt es als erfahrenem Pilger besonders auf die Bedeutung des ‚Betens mit den Füßen‘ an, darüber hinaus ist ihm auf einem Pilgerweg nur die Möglichkeit der Befriedigung einfacher Grundbedürfnisse wichtig, was er auf dem ‚camino francés‘ auch verwirklicht findet und im Beitrag anschaulich belegt.

Obwohl auf den ersten Blick eher nichts Materielles, sind sakrale Wege dennoch durchaus begehrte regionalökonomische Objekte des sanften Tourismus. Am Beispiel des ‚Hemma Pilgerwegs‘ belegt Monika Gschwandner-Elkins die Möglichkeiten der kulturtouristischen und wirtschaftlichen Wertschöpfung in Unterkärnten und Umgebung durch die Belebung der jahrhundertealten ‚Krainer Wallfahrt‘ zum Grab der Heiligen Hemma von Gurk. In diesem Zusammenhang beschreibt Johannes Wischenbart auch Österreichs bekanntesten Pilgerort Mariazell, der jährlich von tausenden Gläubigen besucht wird. Es ist dies wohl das sprechendste Beispiel der Integration eines sakralen Ortes und seiner viae sacrae in die regionale Wirtschaft von heute, inklusive Zertifizierung der Pilgergaststätten und der Anbieter von Reiseinfrastruktur. Stifte, Abteien und Klöster sind längst auch als Orte des Rückzugs, der Einkehr und der Erholung entdeckt. Prior Florian Schomers (am Beispiel Wilten) und Propst Gerhard Rechberger (Stift Vorau) entwickeln hiezu ihre Sicht von den aktuellen Tätigkeiten in diesen und um diese Stätten der Ruhe, die durch manche neu übernommene Funktion quasi näher an die umliegenden Regionen herangerückt sind; und das sichtlich zum Nutzen beider.

Etwas ‚aus der Reihe‘ tanzt der Beitrag von Sandra Gattermaier, die ein Gespräch mit den Bewirtschaftern des Feldbauernhofes führte. Dieser Hof am Attersee muss ein spezieller Ort sein, wählen ihn doch viele Paare aus, um ‚Ja‘ zu sagen.

Den Abschluss des Heftes bilden zwei Beiträge, die – und das halten wir für angebracht – über die konfessionelle Zugehörigkeit sakraler Orte und Wege noch etwas hinausführen. In einem berichtet Berta Altendorfer über die ‚VIA NOVA‘, die (einstweilen) Bayern, Böhmen, Oberösterreich und Salzburg verbindet und als ’spiritueller Weg ins 21. Jahrhundert‘ für alle Konfessionen offen sein will. Der zweite ist ein Vorschlag von Christine Rottenbacher und Tim Cassidy an Raumplanung und Regionalmanagement, eine Evidenz über Beziehungen der Menschen zu (ihren und anderen) Orten zu entwickeln, darunter speziell auch zu den aus ganz persönlichen Gründen ‚heiligen‘ Orten. Dazu gehören nicht nur Kirchen, Kapellen, Kalvarienberge, Bildstöcke oder Feldzeichen, sondern auch schicksalhafte Ereignisse, die ihre Spuren weniger in der Landschaft, als vielmehr in den Seelen unserer Mitmenschen hinterlassen haben.
(Editorial von Franz Greif)