Eingebettet in die Fest- und Fachveranstaltungen „75 Jahre Landtechnische Forschung und Prüfung in Wieselburg“ von 7. bis 10. Juni fand das landtechnische Kolloquium des Österreichischen Kuratoriums für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) statt. Das Thema lautete:
Landtechnik 2040 – Wohin geht die Reise?
Gemeinsam mit 120 Personen haben wir mit elf Fachreferenten einen Blick in die fernere Zukunft der Landtechnik gewagt. Begrüßt wurde vom Direktor der Bundeslehr- und Forschungsanstalt Francisco Josephinum, Alois Rosenberger, von Lorenz Mayr, Vizepräsident der LK Niederösterreich, sowie von Stefan Dworzak, Obmann des ÖKL.
Foto: von links nach rechts: Heinrich Prankl (Josephinum Research), Stefan Kiefer (Amazone), Markus Demmel (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft), Thomas Engel (John Deere), ‚Stefan Dworzak (ÖKL), Munduch-Bader (ÖKL), Franz Sinabell (WIFO), Eberhard Nacke (Claas), Otto Krönigsberger (ÖKL), Franz Haas (Reform), Rupert Gruber (ÖKL), Anne-Katrin Baatz (ÖKL)
Bericht Kolloquium 2022
Tagungsband 2022
EINLADUNG u PROGRAMM ÖKL Kolloquium 2022 8 Juni
Eine KURZFASSUNG:
Gebhard Aschenbrenner, langjähriger Landtechnik-Referent und Geschäftsführer des ÖKL warf mit seinem Beitrag „Meilensteine der Landtechnik seit den 60er Jahren. Was ist geblieben?“ erst einmal einen Blick zurück: Die wichtigste Errungenschaft am Traktor selbst war für ihn die Regelhydraulik, die 1956 erstmals zum Einsatz kam und wofür sich Massey Ferguson das Patent sicherte. Als dieses Patent auslief, wurde die Regelhydraulik auch von anderen Herstellern eingesetzt. Ein bedeutender Wendepunkt im Ackerbau, an dem auch Aschenbrenner durch die Umsetzung von Fachveranstaltungen maßgeblich beteiligt war, war die Abkehr der Strohverbrennung am Feld hin zur Einarbeitung der Ernterückstände mit nichtwendenden Bodenbearbeitungsgeräten und Humusaufbau.
Heinrich Prankl, Josephinum Research, sagt in seinem Beitrag zur Digitalen Landwirtschaft, dem ein kleiner Film über 75 Jahre Landtechnik in Wieselburg vorangestellt wird: „Die Frage nach der Zukunft der Landwirtschaft ist für eine Forschungseinrichtung wie Wieselburg sehr zentral“, und freut sich über die Wahl des Tagungsthemas “Landtechnik 2040 – Wohin geht die Reise”. Wichtig ist, dass Landtechnik und deren Digitalisierung kein Selbstzweck wird und Landwirte und Landwirtinnen einen Nutzen aus den Neuerungen ziehen können. Deshalb ist es für Ihn wichtig, dass Landwirte, Landwirtinnen, Forscher, Forscherinnen und Maschinenhersteller gemeinsam den Weg in die Zukunft gehen!
Markus Gansberger, BLT Wieselburg, schaltete sich live von den Versuchsflächen des BLT zu und präsentierte die unterschiedlichen Forschungsfelder der “Innovation Farm”, welche im Rahmen der “Innovation Days” durch Vorführungen und Feldbegehungen der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Der zweite Teil des Vormittags beginnt mit dem Beitrag „Auswirkung von absehbaren Megatrends auf die Landwirtschaft“ von Franz Sinabell, WIFO – Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung. Mit Grafiken und Statistiken zeigt Wirtschaftswissenschafter einige für die Landwirtschaft maßgebliche Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Zusammenfassend kann man sagen, dass Kapitalintensität für die landwirtschaftliche Produktion steigt. Es werden heute mehr Kapital und mehr Dienstleistungen eingesetzt als früher und die Nettowertschöpfung der Lebensmittelproduktion ist von 35 % auf 25 % geschrumpft. Es wird eine große Herausforderung sein, junge Menschen zu gewinnen, um im Sektor Landwirtschaft tätig zu werden.
Markus Demmel, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, betonte in seinem Beitrag „Anforderungen an die Landtechnik der Zukunft, dass die Agrartechnik Techniken und Technologien entwickeln und produzieren muss, die nachhaltige Produktionsverfahren, letztendlich eine echte Kreislaufwirtschaft (Circular Bioeconomy) ermöglichen. Digitalisierung und Smart-farming werden eine Schlüsselrolle spielen, aber sie sind nicht die alleinige Lösung, sondern nur ein Hilfsmittel.
Am Nachmittag der ÖKL-Veranstaltung kamen DIE führenden Landtechnik-Strategen der namhaften Firmen zu Wort, um dem Publikum Lösungen für die Zukunft aufzuzeigen! Hier einige Hightlights:
Christian Huber, CNH Industrial Österreich GmbH, zum „Traktor 2040“: Autonome Roboter die alternativ angetrieben werden, ein multiflexibler Traktor mit hoher Schlagkraft oder kleine autonome Schwarm-Lösungen werden neben einander existieren und weiterentwickelt werden. Diese werden Kabel-, Solarstrom-, oder Batteriestromgetrieben sein, vielleicht mit Brennstoffzellen oder mit einer Kombination aus mehreren Systemen angetrieben werden.
Franz Haas, Reform-Werke, zur Landtechnik im Berggebiet: Die große Herausforderung für die Produktion von Spezialmaschinen für das Bergland in Kleinserien ist, dass die Produkte an geringe Einsatzzeiten angepasst werden müssen. Hohe Investitionskosten seitens der Landwirte und Landwirtinnen sind problematisch. Lange Nutzungsdauern erfordern Weitsicht und gut angepasste, erweiterbare Produkte.
Für Markus Baldinger, Pöttinger Landtechnik GmbH, ist der zentrale Punkt, dass die Versorgungssicherheit erhalten bleiben muss. Die Anpassung an den Klimawandel ist dafür notwendig und wird eine große Herausforderung für die Landwirtschaft sein. Wetterextreme, Bevölkerungswachstum, Strukturwandel, steigende variable Kosten, Versiegelung und das Konfliktfeld Energieerzeugung – Lebensmittelproduktion werden den Produzenten Kopfzerbrechen bereiten. Für Baldinger ist eine konsequente Kreislaufwirtschaft ein Konzept, das viele Probleme lösen kann.
Zur intelligenten Bodenbearbeitung, Saat und Nährstoffeffizienz meint Stefan Kiefer, Amazonen–Werke, unter anderem, dass uns der Pflug immer erhalten bleiben wird, denn er ist ein geniales Werkzeug. Die Reduktion von Pflanzenschutzmitten steht ganz oben auf der Agenda und bei hohem Unkrautdruck ist der Pflug unschlagbar. Bezüglich der Verfügbarkeit von mineralischen Düngern ist Kiefer optimistisch. Es passt, seiner Meinung nach, nicht immer alles in ein Schwarz-Weiß-Schema. Die Befürchtung, dass Phosphor immer teurer wird und bald gänzlich aus ist, hält er für unbegründet. Phosphor ist im Boden und das relativ konstant. Es braucht Verfahren, um diesen besser zu mobilisieren.
Thomas Engel, John Deere, erläutert künftige Perspektiven für die Pflanzenschutztechnik und er vermutet, dass autonomes Fahren vielleicht schneller kommt als wir das glauben. Dennoch gibt es große Herausforderungen, allen voran die Produkthaftung und die verkehrsrechtliche Situation, die bewältigt werden müssen. Auch die Umgebung ist herausfordernd: Staub, Dreck, Nebel und Vibrationen setzen Grenzen und machen Sensoren funktionsuntüchtig. Eine autonome Maschine fährt zwar alleine, sie muss aber eingestellt, gewartet, überwacht und ggf. muss eine Störung behoben werden. Dafür braucht es gut ausgebildete Fachkräfte.
Eberhard Nacke, Claas, geht v.a beim Thema Ernte davon aus, dass synthetische und biogene Treibstoffe ein Lösungsweg sind. Damit können wir die heutige Technik emissionsfrei betreiben. Investitionen seitens der Landwirte und Landwirtinnen wären verhältnismäßig gering. Damit können wir schon heute etwas bewirken, so Nacke. So wie andere Referenten der Veranstaltung meint auch er, dass es für die aktuellen Herausforderungen nicht eine, sondern eine ganze Liste an Lösungen gibt, die gut miteinander kombiniert werden sollen.
Was für alle Teilnehmenden klar wird: Die Landtechnik ist eher langsam-drehend und langlebig. Deshalb ist es wichtig, dass wir HEUTE damit anfangen, die von den Referenten aufgezeigten neuen Lösungswege, zu beschreiten, damit wir den nächsten Generationen eine intakte Welt hinterlassen.
Moderation Vormittag: Anne-Katrin Baatz, ÖKL
Moderation Nachmittag: Stefan Dworzak, ÖKL-Obmann
Anschließend nahmen einige die Gelegenheit wahr, die Innovation Farm gleich in der Nähe zu besuchen! (Maschinenausstellung, Feldversuchswesen, Roboter und neue Technologien)