Beweidung der Rabensburger Bauernwiesen
Rückkehr der Weiderinder – Wiederbeweidung vom Naturschutzgebiet Rabensburger Thaya-Auen nach 56 Jahren
Weidende Rinder im Osten Österreichs sind mittlerweile eine Rarität – das war nicht immer so! Ursprüngliche Weidegebiete entlang von Flüssen wie der Leitha oder der March sind fast verschwunden, von den ursprünglichen durch die Beweidung entstandenen Kulturlandschaften ist fast nichts mehr vorhanden. Eine Vorstellung davon, wie eine derartige Kulturlandlandschaft im pannonischen Raum Österreichs vor wenigen Jahrzehnten noch ausgesehen hat, bekommt man in der nordöstlichsten Ecke des Weinviertels in Rabensburg, wo in einem Naturschutzgebiet Feuchtwiesen an der Thaya erhalten worden sind.
Weidehaltung hatte lange Tradition
Auf den sogenannten Bauernwiesen im Naturschutzgebiet Rabensburger Thaya-Auen findet man eine Kulturlandschaft mit typischen Brenndolden-Auenwiesen, welche über Jahrhunderte durch Beweidung und Mahd entstanden sind. Bis Mitte der 1960er Jahre wurden diese mit dem Vieh der Bauern in Rabensburg bestoßen. Täglich wurden dabei die Rinder aus der geschlossenen Ortschaft in das Augebiet getrieben. Bis 1945 erstreckte sich das Weidegebiet von Rabensburg auch auf das linke Ufer des Thaya-Flusses, welches danach durch den Eisernen Vorhang abgetrennt wurde. Dabei mussten die Tiere den Fluss in einer Furt durchqueren bzw. konnten sie die damals noch vorhandenen Brücken über den Fluss nutzen. Mit dem letzten Viehtrieb 1965 verschwand auch das Vieh aus den Ställen der Rabensburger Bauernhöfe. Bis auf einzelne spezialisierte Betriebe ist die Tierhaltung inzwischen in der gesamten Region verschwunden.
1982 wurden große Teile der Wiesen als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Dadurch konnte ein Umbrechen der wertvollen Wiesen zu Ackerflächen und ein weitgehender Verlust der artenreichen Aulandschaft verhindert werden. Das Gebiet ist nach wie vor der Hochwasserdynamik des Flusses ausgesetzt und wird immer wieder überschwemmt. Bis heute sind die gebietstypischen Stromtal- bzw. Brenndoldenwiesen als wichtiger Lebensraum für seltene Pflanzen- und Tierarten wie etwa dem Wachtelkönig erhalten geblieben. Es sind aber auch Kaiser- und Seeadler oder der Kiebitz anzutreffen – ein Eldorado für VogelliebhaberInnen. Während die Flächen über Jahrhunderte von Wiederkäuern geprägt wurden, wird die Pflege des Gebietes von den inzwischen auf Ackerbau spezialisierten örtlichen LandwirtInnen übernommen. Viele der Flächen werden als Naturschutzflächen im Rahmen von ÖPUL-WF als Wiesen bewirtschaftet, wobei die besondere Herausforderung darin besteht, dass für das Heu keine Verwendung vorhanden ist. Fünf LandwirtInnen aus Rabensburg haben sich daher 2021 zum Verein „Weidegemeinschaft Naturschutzgebiet Rabensburger Thaya-Auen“ zusammengeschlossen, um einen sinnhafteren Weg einer fachgerechten Bewirtschaftung einzuschlagen.
Pilotprojekt mit Aubrac-Rindern
Mit dem vom Land Niederösterreich und der Europäischen Union unterstützten Pilotprojekt „Beweidung der Rabensburger Bauernwiesen“ erfolgt nun seit 2021 die Wiesenerhaltung durch Rinderbeweidung. Diese ist mit der Abteilung Naturschutz des Landes NÖ fachlich abgestimmt und wird vom Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) begleitet. Der Weideverein kooperiert dabei mit einem tierhaltenden Betrieb aus dem Marchfeld, welcher eine Herde mit Aubrac-Rindern für die extensive Beweidung der Flächen zur Verfügung stellt. Bei den Tieren handelt es sich um eine robuste französische Rasse, welche von der südwestlichen Hochfläche des Zentralmassivs stammt. Ähnlich dem System einer Alm werden die Tiere Ende März bis Ende Oktober auf die Flächen getrieben. Vierzehn Hektar verteilt auf 3 Koppeln sind mit fixen Zaunstehern umgeben, auf denen der Elektrozaun jederzeit auf- und abgelegt werden kann. Für den Fall eines Hochwassers wurden außerdem Flächen integriert, welche hoch genug gelegen sind, um der Herde bei Bedarf Schutz bieten zu können. Neben Kopfweiden, typischen Sutten mit Feuchtstellen, die oft monatelang unter Wasser stehen, sind auch sandige, leicht erhöhte Wiesen in der Weidefläche vorhanden und formen so eine abwechslungsreiche Weidelandschaft.
Alternative Weidesysteme im Trockengebiet
Angepasst an die Rahmenbedingungen werden die Flächen extensiv mit 0,5 GVE beweidet. Die einzelnen Koppeln werden in Portionen unterteilt und ähnlich dem Prinzip des Mob Grazings beweidet. Es handelt sich dabei um ein Weidesystem, bei dem auf einer begrenzten Fläche ein relativ hoher Grasbestand für eine kurze Zeit intensiv beweidet wird. Anschließend an den Bestoß durch die Rinder erfolgt eine relativ lange Beweidungspause für die Regeneration der Vegetation. Die Pausen zwischen den Nutzungen können dabei sehr lange dauern. Charakteristisch ist der Fraß der oberen Pflanzenteile des Aufwuchses. Teile der Gräser und Kräuter sowie Weidereste werden von den Tieren niedergetreten und bilden eine Mulchschicht, welche den Boden vor Austrocknung schützt und Nahrungsquelle für das Bodenleben darstellt. Die Pflanzen benötigen somit weniger Zeit für eine Regeneration, da ausreichend Pflanzenteile vorhanden sind und diese nicht so tief abgegrast werden wie beispielsweise bei einer Kurzrasenweide. Auch das Wurzelwachstum der Vegetation kann so gefördert werden. Unerwünschte Weidereste wie etwa Schilf werden niedergetrampelt und helfen die schützende Mulchschicht zu schaffen. Die organische Substanz im Boden wird erhöht und hilft die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens zu verbessern. Es handelt sich somit um eine Weidestrategie, die vor allem für die Trockengebiete wie dem nördlichen Weinviertel am geeignetsten erscheint. In dieser trockensten Region Österreichs fallen im 30-jährigen Mittel weniger als 500 mm Jahresniederschlag – eine Herausforderung, der man sich auch in Hinsicht auf den Klimawandel in Form derart alternativer Beweidungsregime stellen wird müssen.
Monitoring der Naturschutzflächen
Naturschutzfachlich begleitet wird das Projekt durch ein Monitoring von drei Ökologen. Erhoben werden die Vogel- und Heuschreckenarten sowie die Vegetation in den Koppeln und außerhalb der Weideflächen liegenden Gebieten. Im Speziellen wird auch die Entwicklung der Herbstzeitlose unter dem Einfluss der Beweidung dokumentiert. Die Erkenntnisse daraus sollen Rückschlüsse auf den Einfluss der Beweidung auf die Artenzusammensetzung ermöglichen und einen Beitrag zum zukünftigen Diskurs hinsichtlich geeigneter Beweidungsregime leisten. Das Projekt hebt auch die Bedeutung der begleitenden Naturschutzarbeit hervor, welche gewährleistet, dass Änderungen und mögliche negative Entwicklungen frühzeitig erkannt werden, um darauf reagieren zu können.
Die Beweidung mit Rindern auf den Flächen ist sehr wertvoll und hält die Wiesen offen, um einen Bewuchs mit Gehölzen zu verhindern. Über die Beweidung wird die vorhandene Artenvielfalt gefördert und bietet optimale Lebensräume, unter anderem für gefährdete und typische Pflanzen, Vögel und Insekten. Ein Weiderind (mit 600 kg) produziert im Schnitt etwa 1 Tonne Dung pro Monat und 1 Kuhfladen bietet 300 bis 500 Insekten Futter und Lebensraum über ein Jahr. Ein gehaltenes Rind in der Rabensburger Au fördert so in Summe pro Jahr eine Masse an Insekten, welche etwa ein Fünftel der eigenen Körpermasse (!) des Rindes entspricht.
Win-Win-Situation
Während einer Begehung der Flächen im zweiten Projektjahr wurde in einem Kuhfladen erstmals in Rabensburg ein Mondhornkäferpaar (Copris lunaris) gefunden. Der Mist dient als Eiablage und den schlüpfenden Larven als Nahrung. Mondhornkäfer, welche zu den Blatthornkäfern (Scarabaeidae) gehören, sind inzwischen sehr selten geworden und nur mehr an wenigen Stellen in Österreich zu finden. Der Fund stellt somit eine kleine Sensation dar. Solche Dungkäfer sind für das Ökosystem der Weidelandschaft durchaus wichtig, da sie die Zersetzung der Kuhfladen fördern, mit ihren Gängen den Boden durchlüften und helfen, den Nährstoffkreislauf insgesamt zu regulieren.
Das Weideprojekt in Rabensburg zeigt somit sehr schön, wie Landwirtschaft und Naturschutz eng und erfolgreich zusammenarbeiten können. Durch das Projekt werden Teilflächen der Bauernwiesen nun erhalten und gepflegt und die Flächen einer nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln zugeführt. Eine Win-Win-Situation für die Landwirtschaft, unsere Gesellschaft und den Naturschutz!