Wintertourismus – Segen und Fluch

 3,63 string(0) ""

L/R 2002/4
 3,63
Kategorie:

Beschreibung

Um den Titel zum vorliegenden Heftthema hat das Redaktionsteam lange gerungen. Ging es doch darum, den Facettenreichtum und die Ambivalenz des modernen Wintertourismus auf eine Kurzformel zu bringen: Die wirtschaftliche Bedeutung, die Konjunkturabhängigkeit, die industrielle Logik der Angebotsstruktur, der weltumspannende Wettbewerb der Skiregionen, der ständig aktuelle Konflikt zwischen Erschließungszwang und schutzwürdigen Gebieten, aber auch die Ansätze für zukunftsfähige Wintertourismusformen.

Es scheint fast so, als müsste das Produkt ≥Tourismus‰ immer von neuem begrifflich aufgeladen und umweltpolitisch legitimiert werden. Nach dem sanften Tourismus der 1980er Jahre ist nunmehr der nachhaltige (Winter)Tourismus en vogue. Boshaft könnte man konstatieren, dass ein touristischer Euphemismus endlich die blanke Wahrheit trifft: Oder kann es eine nachhaltigere, dauerhaftere Beanspruchung der Landschaftsressource geben als eine ins Steilgelände planierte Skiabfahrt samt ihrer beeindruckenden Infrastrukturausstattung?

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die inhaltliche Geschmeidigkeit in der Begriffsverwendung: Genügt es heute bereits, eine ≥Balance zwischen ökologischen, sozioökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen‰ hergestellt zu haben oder ≥den Gästen und Bewohnern mehr Qualität zu gönnen‰, um Tourismus mit dem Nachhaltigkeitsprädikat zu adeln? Rückt ein wesentlicher Gesichtspunkt der Nachhaltigkeitsdebatte, nämlich die Verringerung des Ressourcengebrauches und der Material- und Energieströme, endgültig in den Hintergrund?

Gegenwärtig scheint der österreichische Wintertourismus einem Supertanker nicht unähnlich: Zwar haben die Steuerleute die Untiefen seit geraumer Zeit gesichtet. Uneins ist man sich aber in der Lagebeurteilung. Noch glauben die meisten, dass Masse und Schwungkraft ausreichen werden, die sichtbaren Klippen zu überwinden. Nur wenige befürchten, dass beim Auflaufen die fragilen Bordwände endgültig und irreparabel aufbrechen könnten. Auch scheint während der Diskussion um das Für und Wider das Steuerrad abhanden gekommen zu sein, sodass der Erfolg eines Ausweichmanövers, so man sich denn auf ein solches einigen könnte, immer unsicherer wird.

Immerhin liegen intellektuelle Anreize für den Diskurs und praktische Vorbilder für mögliche Kurswechsel in großer Zahl vor: Dankbar muss man z.B. den Ischgler Touristikern sein, dass sie jedes Jahr mit einer neuen Idee die Tourismusdiskussion mit Nachschub versorgen. Heuer ist es z. B. die Überlegung, die Skiabfahrten transparent einzuhausen und zu klimatisieren. Diese und ähnliche Überlegungen setzen auf das ständige Hochtreiben des Kapital-Event-Kreisels (vgl. den Beitrag von Peter Hasslacher). Auch die mit der Bewerbung des Landes Salzburg um die olympischen Winterspiele 2010 verbundenen Hoffnungen fallen in diese Kategorie.

Unterstützen solche Strategien aber tatsächlich das System der ≥endogenen Regionalentwicklung‰, insbesondere das Ziel, im Alpenraum möglichst gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen bzw. zu sichern? Es gibt Hinweise, dass damit eher das Gegenteil erreicht wird, nämlich eine immer deutlichere Polarisierung zwischen den weiter wachsenden Aktivräumen und den sozioökonomisch benachteiligten peripheren Gebieten. Auf den Alpenraum bezogen heißt dies: Mehr denn je geht es um die Entwicklung von Tourismusformen, die langfristig erwarten lassen, dass – eine möglichst gleichmäßige Auslastung über den Jahresverlauf erreicht wird, – die rasanten Polarisations- und Konzentrationstendenzen im Raum wieder verlangsamt bzw. umgekehrt werden, – ein gerechter (auch geldwerter) regionaler Ausgleich zwischen belastenden und belasteten Gebieten erzielt wird, – die internationalen Vereinbarungen von Rio und Kyoto sowie die Alpenkonvention glaubwürdig erfüllt werden.

Ihr Roland Kals (Redaktionsmitglied)

Inhaltsverzeichnis
Editorial
Roland Kals

Wintertourismus – Segen oder Fluch?
Peter Hasslacher

Wirtschaftswunder Wintersport
Edgar Atzmanstorfer

Und täglich grüßt das Murmeltier – Neues Altes vom Wintertourismus in den Alpen
Christian Baumgartner

Wintertourismus ohne Schnee
Walther Czerny

Regionaler Hoffnungsträger ≥Olympische Winterspiele„
Manfred Koblmüller

Hinweise und Berichte Veranstaltungsbericht 2. Kleinstadtsymposium Aus dem ÖKL

Preis:
Die Einzelausgabe kostet 3,63 •, ein Abo (4 Ausgaben im Jahr) kostet 12,35 •.